Mit funktionaler Ausschreibung zum Projekterfolg
Die funktionale Leistungsbeschreibung ist ein rechtlich klar geregeltes Verfahren und geht weit über eine reine Planungsunterstützung hinaus. Verankert ist sie in § 7 und § 7c VOB/A sowie in § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV – in der Vergabepraxis häufig auch als „Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm“ bezeichnet. Ziel ist es, Anforderungen an Bauleistungen so zu formulieren, dass sie eindeutig, vollständig und diskriminierungsfrei sind.
Anders als bei der klassischen Ausschreibung, bei der konkrete Materialien und Ausführungsdetails vorgegeben werden, beschreibt die funktionale Variante, welche Leistungen ein Bauwerk im Betrieb erbringen soll. Im Fokus stehen funktionale Ziele wie Energieeffizienz, Nutzungskomfort, Barrierefreiheit oder Nachhaltigkeit. Dabei können technische Standards wie DIN 4109 (Raumakustik), DIN 18040 (Barrierefreiheit) oder Anforderungen aus dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) ebenso einbezogen werden wie Zertifizierungssysteme nach DGNB, LEED oder BREEAM.
Diese Vorgaben bilden den Rahmen, innerhalb dessen der Auftragnehmer eigenverantwortlich plant und ausführt – mit Spielraum für technische Innovationen, aber auf Basis klar definierter Anforderungen.
Technische Freiheit - verbindliche Ziele
Im Unterschied zur klassischen losweisen Ausschreibung legt man im Planungsprozess gemeinsam mit dem Auftraggeber fest, welche Detailtiefe notwendig ist und welcher Gestaltungsspielraum dem Generalunternehmer (GU) eingeräumt werden kann. Nach Abschluss der Genehmigungsplanung, also am Ende der Leistungsphase 4, geht die Ausführungsplanung an den GU/TU. Ab diesem Punkt ist er dafür verantwortlich, die festgelegten funktionalen Anforderungen eigenständig und wirtschaftlich zu planen und umzusetzen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der Generalplaner aus dem Projekt zurückzieht. Im Gegenteil: Er begleitet die Umsetzung weiterhin aktiv im Rahmen der Bauüberwachung des AN. Seine Rolle als „Baustellencontroller“ besteht darin, die Einhaltung aller funktionalen Vorgaben zu prüfen und sicherzustellen, dass das fertige Bauwerk hinsichtlich Kosten, Termine und Qualitäten den gemeinsam festgelegten Zielen entspricht. So verbinden sich klare Planungsvorgaben des AG mit unternehmerischem Freiraum für den GU. Das ist die Grundlage für eine wirtschaftlich optimierte, technisch ausgereifte und rechtssichere Projektrealisierung.
Wenn Vergabeprozesse Struktur schaffen und Risiken senken
Für den Auftraggeber bedeutet die funktionale Leistungsbeschreibung vor allem eines: spürbare Entlastung. Statt sich mit zahlreichen Einzelgewerken und einer Vielzahl an Ansprechpartnern auseinandersetzen zu müssen, hat er als Partner einen Generalplaner an seiner Seite, der das Projekt koordiniert, die Qualität sichert und als zentrale Schnittstelle fungiert. Die funktionale Leistungsbeschreibung reduziert so Missverständnisse, minimiert Schnittstellenprobleme und schafft zugleich Raum für technische Optimierung. Für den Auftraggeber bedeutet das auch: bessere Kostenkontrolle. Denn GU/TU-Angebote beruhen auf durchdachten, gesamtheitlichen Konzepten. Was in der Praxis erfahrungsgemäß zu deutlich weniger Nachträgen führt als bei einer klassischen losweisen Vergabe.
Der Generalunternehmer/Totalunternehmer erhält mit der funktionalen Leistungsbeschreibung Freiraum in der Ausführungsplanung und kann innerhalb klar definierter funktionaler Vorgaben eigenverantwortlich agieren. Je offener der Gestaltungsspielraum, desto größer das Potenzial, sinnvolle Optimierungen umzusetzen. Sei es bei der Materialwahl, den Bauabläufen oder in der Technischen Ausstattung. Dabei bleibt die Qualität selbstverständlich stets gewährleistet: Die funktionalen Anforderungen geben den verlässlichen Rahmen vor.
Die assmann gruppe versteht die Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber und dem Generalunternehmer als Partnerschaft – auf Augenhöhe, effizient und lösungsorientiert. Durch kurze Abstimmungswege, direkte Kommunikation und klar definierte Verantwortlichkeiten entsteht eine Arbeitsweise, bei der alle Beteiligten dasselbe Ziel verfolgen: ein funktionierendes, qualitativ hochwertiges Bauwerk, realisiert im vereinbarten Zeit- und Kostenrahmen.
Dabei fließt umfassendes Erfahrungswissen aus zahlreichen Projekten in den Typologien Bildung, Industrie und Gewerbe, Büro und Verwaltung sowie Feuerwehr und Rettung gezielt in die funktionale Leistungsbeschreibung ein. Bewährte Lösungen und typenspezifische Anforderungen werden frühzeitig berücksichtigt, um eine hohe Planungssicherheit und eine optimale Umsetzung zu gewährleisten.
Wie diese Herangehensweise in der Praxis aussieht, zeigt das folgende Beispiel aus dem Bereich Bildung:
Gelungene Schulentwicklung in Hückeswagen: Die Löwen-Grundschule
Mit dem Neubau der Löwen-Grundschule im Brunsbachtal setzt die Stadt Hückeswagen ein starkes Zeichen für moderne Bildungsarchitektur und zukunftsorientierte Schulentwicklung. Wo einst ein veraltetes Schulgebäude stand, entwickelte sich an der Straße „Zum Sportzentrum“ ein zeitgemäßer Ort des Lernens, der den Anforderungen von heute gerecht wird.
Die neue dreizügige Clusterschule bietet Platz für rund 350 Schülerinnen und Schüler und integriert Räume für die Ganztagsbetreuung. Damit erfüllt sie nicht nur aktuelle pädagogische Anforderungen, sondern schafft auch ein Umfeld, das Lernen und Gemeinschaft fördert.
Den Auftrag für die Objektplanung erhielt die assmann gruppe im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach VgV. Der daraus hervorgegangene Entwurf ist das Resultat einer intensiven Abstimmung zwischen Stadtverwaltung und Schule. Ideen aus vorangegangenen Workshops wurden direkt in die Planung integriert und spiegeln sich im architektonischen Konzept wider. Entstanden ist ein identitätsstiftendes Gebäude mit klarer Formensprache, hochwertiger Material- und Farbwahl sowie markanter städtebaulicher Präsenz.
Planung und Architektur
Die Architektur folgt einem modernen Konzept und vereint Funktionalität mit ästhetischem Anspruch. Drei zwei- bis dreigeschossige Gebäudeteile gruppieren sich um einen großzügigen Eingangsbereich.
Das pädagogische Konzept mit den einzelnen Clustern für die Jahrgänge spiegelt sich in der Außenwirkung des Gebäudes wider. So besteht die Schule aus vier miteinander verzahnten Gebäudeteilen. Über eine zentrale offene Halle sind die einzelnen Bereiche auf kurzem Weg miteinander verbunden. Das Herzstück sind die einzelnen Cluster für die Jahrgänge, die in zwei „Gebäude“ aufgeteilt sind.
Die Gebäudeteile terrassieren sich entlang der Topografie und „verbinden“ sich mit einem horizontalen Band auf jeder Etage.
Nachhaltigkeit und Energieeffizienz
Das Projekt zeigt, wie moderne Standards in Sachen Nachhaltigkeit (Materialauswahl) und Energie (u. a. Nahwärmenetz, Photovoltaikanlage) ganzheitlich umgesetzt werden können.
Infrastruktur und Außenanlagen
Im Gesamtkonzept ist die Infrastruktur durchdacht integriert – etwa durch direkte Verbindungswege von der Bushaltestelle zur zentralen Pausenhalle.
Auch die Außenanlagen sind altersgerecht gestaltet: Drei Pausenhöfe – Spatzen-, Amsel- und Eulenhof – bieten vielfältige Bewegungsräume für alle Altersstufen.
Eingebettet in die Topografie kann das Gebäude auf zwei verschiedenen Ebenen und an zwei verschiedenen Seiten zusätzlich betreten werden
Vergabe und Zeitplan
Die Realisierung – von der Planung bis zum Einzug – entstand in enger Teamarbeit zwischen dem Auftraggeber, der assmann gruppe und dem Generalunternehmer. Innerhalb von 3½ Jahren konnte das Projekt im Rahmen der vorgegebenen Termin- und Budgetziele erfolgreich abgeschlossen werden.
Die Vergabe der Bauleistungen an einen Generalunternehmer basierte auf einer Funktionalen Leistungsbeschreibung. Die Ausschreibung fand im Rahmen eines offenen EU-weiten Verfahrens gemäß VOB statt.
Mehr Klarheit, weniger Risiko: Die Stärke der funktionalen Leistungsbeschreibung
Die funktionale Leistungsbeschreibung eröffnet große Chancen – insbesondere für komplexe Bauprojekte. Sie ermöglicht Planungsfreiheit und fördert wirtschaftliche Lösungen. Gleichzeitig stellt sie hohe Anforderungen an die Präzision der Kommunikation: Unklare oder mehrdeutige Formulierungen bergen das Risiko von Missverständnissen und Konflikten zwischen Auftraggebern und Ausführenden.
Deshalb gilt: Bereits in frühen Planungsphasen müssen funktionale Anforderungen vollständig, eindeutig und vergaberechtskonform formuliert werden. Eine enge Abstimmung aller Beteiligten – inklusive juristischer Beratung – schafft Transparenz, reduziert Risiken und stärkt die Vertragssicherheit über alle Projektphasen hinweg. Wird die funktionale Leistungsbeschreibung klar, widerspruchsfrei und rechtlich belastbar gestaltet, wird sie zum wirkungsvollen Instrument für eine erfolgreiche Projektumsetzung.